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Interview mit Dr. Susanne Kleinhenz zur Bucherscheinung "Die dunkle Seite der Macht"

29.02.2016

Dr. Susanne Kleinhenz ist ein Allroundtalent: Als promovierte Philosophin ist sie als Persönlichkeitstrainerin, Vortragsrednerin und Autorin erfolgreich unterwegs. Ihr Fokus: die Rolle der Frau in einer männerdominierenden Gesellschaft. Als Kundin von text-ur text- und relations agentur Dr. Christiane Gierke hat sie dabei mit ihren Werken "Der Mann im weiblichen Jahrhundert" und "Das 21. Jahrhundert ist weiblich" für einen neuen Blickwinkel gesorgt. Indem sie den Begriff "Karriere-Frau" neu definiert, möchte sie zu mehr Mut animieren. Nun ist ihr neues Buch: "Die dunkle Seite der Macht: eine Typologie von Führung" in der Reihe Springer Essentials erschienen. Und DER Titel macht natürlich neugierig!

 

Dr. Christiane Gierke: „Die dunkle Seite der Macht“ – das ist ja eigentlich ein Ausdruck aus Star Wars. Wo ist hier eine Verbindung in die Führungsetagen?
Dr. Susanne Kleinhenz: Ja, Sie haben völlig Recht: Bei Star Wars meint die „Dunkle Seite der Macht“ diejenigen, die vom Weg abgekommen sind, und sich dem Zorn, dem Hass und der Gier hingeben. Und damit durchaus erfolgreich sind! Im Vergleich zur hellen Seite ist die dunkle sehr verführerisch, und ihr Prinzip ist leichter zu verstehen. Jene dunklen Jedis gewinnen Macht, indem sie ihren negativen und von Angst geprägten Gedanken nachgehen und nicht den hellen und hoffnungsvollen. Sie gewinnen so durch ihre starken Aggressionen an Kraft – aber die Folge sind böse Gedanken und Hass. Dadurch verliert ihr Dasein an Wert, weil sie sich nur noch der Frage widmen, was sie als nächstes tun werden, um ihre Macht zu erhalten. Sie widmen sich aber nicht mehr der eigentlich wichtigen Frage: der Frage des „Warum“. Die Folge der dunklen Seite ist, dass ihre Anhänger jede Menschlichkeit verlieren. In den Managementetagen ist diese Metapher auf diejenigen anzuwenden, die die ihnen verliehene Macht nicht mehr zum Nutzen der Allgemeinheit oder des Unternehmens einsetzen. Sondern nur noch egoistisch, wenn nicht sogar egozentrisch handeln. Fatal wird es immer dann, wenn die Hybris überhandnimmt, und jemand sein Umfeld nicht mehr reflektiert: Dann bringt ihn oft die eigenen Überheblichkeit, sich für Gottesgleich zu halten zum Absturz. Aber das ist nur eine Seite der dunklen Macht. Die andere ist, denke ich, viel öfter vertreten: Viele der heutigen Führungskräfte sind schlichtweg überfordert und leben in einem ständigen Strudel der Angst, die ihnen verliehene Macht, den Posten und das Ansehen, das damit verbunden ist, zu verlieren. Sie agieren aus Angst und nicht mehr aus ihrer Überzeugung. Das heißt, sie passen sich ihrer Welt an und handeln nur noch aus dem sozialen Druck heraus, was häufig Angststörungen, Depression und Burnout zur Folge hat. Nicht weil sie überarbeitet sind, sondern weil sie gegen ihre eigenen Überzeugungen handeln. In der Jedi-Metapher gesprochen, haben sie aufgehört, sich nach einem Warum zu fragen und agieren nur noch, als wären sie in einem Hamsterrad und dann verlieren sie sich.

Dr. Christiane Gierke: Das ist eine interessante Interpretation! Doch machen extrem gewinnorientierte Unternehmen diese Führungskräfte erst zu dunklen Jedi-Rittern – wie Sie sie nennen –, oder ist das Dunkle bereits in der Persönlichkeit des einzelnen, der nach Entscheidungsmacht im Unternehmen strebt, angelegt?
Dr. Susanne Kleinhenz: Darüber habe ich für meine Dissertation viel geforscht und interessante Studien von Wissenschaftlern wie Paul Babiak, Dr. Gerhard Dammann, Dr. Kevin Dutton und Manfred F.R. Kets de Vries gefunden. Die stellten dazu fest, dass sich überdurchschnittlich viele Persönlichkeiten mit einem stark ausgebildeten Narzissmus in den Führungsetagen aller Länder befinden. Das Bundeskriminalamt veröffentlichte 2002, dass rund ein Drittel aller Wirtschaftsdelikte von Mitgliedern des Topmanagements begangen wurden. Der amerikanische Wirtschaftspsychologe Paul Babiak fand heraus, dass unter Managern der Anteil der Personen mit einer psychopathischen Disposition, also einer Persönlichkeit ohne Angst, aber auch ohne Empathie, überproportional hoch ist. Diese hohe Erscheinungsform extremer Persönlichkeiten ist damit zu erklären, dass in Unternehmen, die so positioniert sind, dass es für seine Topmanager extreme Gewinnchancen unter höchsten Leistungsanforderungen bietet, genau diese Persönlichkeiten anziehen. Hierbei sollte man aber festhalten, dass es sich nicht um Persönlichkeitsstörungen handelt, sondern es sich um extreme Dispositionen von Menschen handelt. Von Störungen kann schon deswegen nicht gesprochen werden, weil es diesen Personen überproportional besser gelingt in gewinnorientierten Unternehmen Karriere zu machen, sie funktionieren also überdurchschnittlich besser als die sogenannten normalen, also nicht auffälligen Personen.

Dr. Christiane Gierke: Ihr Buch trägt den Untertitel „Eine Typologie von Führung": Kommen denn bestimmte Persönlichkeitsdispositionen im Führungsbereich besonders oft vor?
Dr. Susanne Kleinhenz: Ja, unbedingt. In unterschiedlichen Studien wurde immer wieder festgestellt, dass es die charismatische und die narzisstische Disposition ist, die hier am erfolgreichsten in den Führungsetagen agiert, wobei jeder Charismatiker auch große Züge des Narzissten in sich trägt. Die Frage hierbei ist letztendlich auch hier wieder, für welche Seite er sich entscheidet, die helle oder die dunkle.

Dr. Christiane Gierke: Können Sie das näher erläutern: Wo genau liegt der Unterschied zwischen einem Charismatiker und einem Narzissten?
Dr. Susanne Kleinhenz: Das tue ich sehr gerne! Über Charisma wurde ja viel geschrieben und geforscht. Schon bei Weber findet man den Hinweis darauf, dass es sich um eine „Gnadengabe“ handelt. Gleichzeitig definiert er aber auch, dass Charisma zum einen nicht „normal“ ist, sondern sich dahingehend von der Norm abhebt, weil es eben nicht erlernbar ist. Weber schreibt, dass es sich bei dem Charismatiker meist auch um einen Maniker handelt, der vor allem durch sein hyperaktives Handeln, Realitätsverlust und Größenideen gekennzeichnet ist. Wen man nun als „charismatisch“ bezeichnen möchte, liegt stark im Auge des Betrachters. Je ängstlicher Menschen sind bzw. Situationen eingeschätzt werden, desto mehr suchen sie einen „charismatischen“ Leader, der ihnen hilft, schwierige Zustände zu meistern. Wir können hier auch zwei Formen von Charisma unterscheiden: Zum einen das soziale Charisma, das vor allem in der transformationalen Führung eine Rolle spielt und eine Führungskraft beschreibt, die ihre Mitarbeiter vor allem durch idealisierten Einfluss, inspirierende Motivation, intellektuelle Stimulanz und Berücksichtigung der Individualität führt. Und zum anderen eben das egozentrierte Charisma des Narzissten.

Dr. Christiane Gierke: Wie unterscheidet man denn im Unternehmens-Alltag diese beiden Typen konkret?
Dr. Susanne Kleinhenz: Gute Frage! Im Auftreten auf den ersten Blick sind beide manchmal erst gar nicht zu unterscheiden, und es ist auch keine scharfe Trennung zu machen, denn häufig verlaufen die beiden Typen ineinander. Die Frage ist immer, was überwiegt: die helle oder die dunkle Seite der Macht? Die Merkmale der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind unter anderen Größengefühle in Bezug auf die eigene Bedeutung, Phantasien über grenzenlosen Erfolg, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe, hohes Anspruchsdenken. Eine interessante Unterscheidung im Management hat Manfred F.R. Kets de Vries hier gemacht. Er unterscheidet drei Typen: den reaktiven Narzissmus, den selbsttäuschenden Narzissmus und den konstruktiven Narzissmus.

Dr. Christiane Gierke: Klingt erstmal nach viel Theorie. Was können wir uns unter diesen Typen genau vorstellen?
Dr. Susanne Kleinhenz: Der reaktive Narzisst kompensiert in seinem Selbstbild das fehlende Gefühl, von den Eltern nicht geliebt worden zu sein. Von diesem Menschentypen gibt es ja sehr viele – nicht nur im Management. Dieses schmerzhafte Defizit macht Menschen recht erfolgreich, aber die Mitarbeiter von diesen Chefs müssen meist leiden, da der reaktive Narzisst keine Informationen zulassen wird, die seiner Wunschwelt widersprechen. Er wird außerdem seine Ziele ohne Rücksicht auf andere verfolgen und seinem Verlangen nachgehen, andere zu erniedrigen, um seine eigene Überlegenheit zu unterstreichen. Er ist als Führungskraft also schwierig. Dann gibt es noch den selbsttäuschenden Narzissten. Er wurde als Kind von seinen Eltern oder anderen Bezugspersonen mit Lob und dem Gefühl, etwas Besonderes und perfekt zu sein, überflutet. Diese Narzissten haben in ihrem Erwachsenenleben meist Probleme, mit Enttäuschungen fertig zu werden. Sie sind häufig oberflächlich und arm in ihren Affekten. Weil sie ein Leben lang auf der Suche nach Idealen sind, beeinträchtigt das auch stark ihre Beziehungsfähigkeit. Als Führungskräfte sind sie wesentlich zugänglicher als die reaktiven Narzissten. Sie sind weder ausbeuterisch noch versuchen sie, andere zu demütigen. Sie wirken unsicherer und vermeiden es, Fehler zu machen. Und schließlich haben wir noch den konstruktiven Narzissten. Das innere Theater der konstruktiven Narzissten besteht aus positiven Bildern. Sie haben ein starkes Selbstvertrauen, wirken vital und optimistisch. Diese konstruktiven Narzissten manipulieren zwar auch, aber es liegt keinerlei Boshaftigkeit darin. Sie haben ein gutes Gespür für Menschen und für das Gleichgewicht zwischen Nehmen und Geben entwickelt. Sie sind bereit, für ihre Handlungen Verantwortung zu übernehmen und haben ein hohes Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Der Ehrgeiz steht bei diesen Führungskräften zwar vor dem Mitgefühl, aber sie kommen mit anderen aufgrund ihrer Leistungsorientierung und Empathie gut zurecht.

Dr. Christiane Gierke: Richtig sympathisch klingt keiner der Typen. Warum sind sie dennoch in Unternehmen so erfolgreich?
Dr. Susanne Kleinhenz: Da das Management besonders in großen Konzernen ein Ort ist, an dem nur diejenigen nach oben kommen, die leistungsbereiter, motivierter und konkurrenzfähiger sind, haben Menschen mit einem höher ausgeprägten Narzissmus hier weitaus größere Chancen, Karriere zu machen. Im Wesentlichen scheint es so, dass die meisten Personen mit narzisstischen Dispositionen sehr gut für Führungsaufgaben geeignet sind und nur der reaktive Narzisst ein Problem für Mitarbeiter und Unternehmen darstellen kann. Außerdem muss man auch sehen, dass sich die gesamte Gesellschaft immer mehr in Richtung Narzissmus entwickelt – ich sage nur, „Selfie-Kultur“. Und je mehr narzisstische Wirtschaftsführer das Ruder in der Hand haben und je narzisstischer eine Gesellschaft wird, desto mehr spült sie die Führungskräfte nach oben, die auf der „Narzisstenskala“ eine hohe Punktzahl erreichen.

Dr. Christiane Gierke: Und was können Unternehmen nun tun, um ihre wichtigen Schlüsselpositionen mit den richtigen Führungskräften zu besetzen?
Dr. Susanne Kleinhenz: Die Unternehmen müssen zunächst jeweils für sich klären, welche Führungskultur sie auf lange Sicht erreichen möchten. In vielen Firmen machen sich Probleme der Demografie breit, das heißt, sie sind heute mehr als früher gezwungen, sich über ihre Mitarbeiterzufriedenheit Gedanken zu machen. Bei Befragungen von Mitarbeitern wurde hier sehr deutlich, dass sich ein Dialogisches Management, also ein dem Menschen zugewandter Führungsstil, deutlich besser auf die Mitarbeiterzufriedenheit auswirkt als ein dominanter und hierarchischer Stil. Die Besonderheit des dialogischen Managements ist, dass er über alle Hierarchien hinaus eine Kommunikation auf Augenhöhe präferiert. Je narzisstischer allerdings eine Führungskraft eingestellt ist, desto schwieriger wird es ihr fallen, auf die ihr verliehene Macht zu verzichten und mit ihren Mitarbeitern tatsächlich auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das erfordert zum einen eine hohe Fehlertoleranz bei sich und bei anderen, und zum zweiten eine ausgezeichnete Kommunikationsfähigkeit. Ich konnte bei meiner Forschung übrigens auch herausfinden, dass Frauen für Dialogische Führung weit mehr natürliche Anlagen haben als ihre männlichen Kollegen. Dialogisches Führen ist aber erlernbar – es erfordert allerdings einen Perspektivenwechsel der Führungskraft!
 

Mehr Informationen:


Dr. Susanne Kleinhenz
http://organisationsberatung.susanne-kleinhenz.com
skleinhenz@live-academy.eu, Tel: 030 - 34 806 811

 

Susanne Kleinhenz hat in der Philosophie mit dem Schwerpunkt Differenzielle Psychologie und Organisationsentwicklung promoviert.
Der produktiven Autorin gehört die live-academy, eine freie Akademie für Organisations- und Persönlichkeitsentwicklung, Change-Management, Verkaufs- und Führungs-kommunikation. Als Organisationsentwicklerin, Trainerin und Vortragsrednerin mit wissenschaftlichem Hintergrund und hoher Praxiskompetenz verbindet sie fachliches Know-how im Leading Development Management mit fundierter Erfahrung aus Verkauf, Führung und Psychologie.

Gerade ist ihr neues Buch „Die dunkle Seite der Macht“ in der Reihe Springer Essentials erschienen.

 

Dr. Susanne Kleinhenz
"Die dunkle Seite der Macht: eine Typologie von Führung"
ISBN: 978 3 658 12319 2
EUR 9,99

 

 

 

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