"Vertriebsgötter" - Das neue Buch von Dr. Susanne Kleinhenz
20.10.2016
Dr. Susanne Kleinhenz ist Expertin, wenn es um erfolgreiche (weibliche) Führung, die Typologie von Führungskräften und das Verhältsnis von Führungskräften und Mitarbeitern geht. In ihrem neu erschienenen Buch "Vertriebsgötter. Dialoge mit Kunden erfolgreich gestalten - Persönlichkeitstypen im Verkaufsgespräch" greift sie nun ein neues wichtiges Thema auf: die Vertrauenskrise im Vertrieb. Konkret: Sie untersucht das vorbelastete Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und Vertriebsbranchen unterschiedlichen Typs. Warum vertrauen Kunden heutzutage nicht mehr? Wie kann das Vertrauen erneut gewonnen werden? Diese und weitere Fragen beantwortet Dr. Susanne Kleinhenz in ihrem neuen Ratgeber. Anschaulich und mit viel Humor und Empathie zeigt sie effektive Lösungsansätze für diese besondere Problematik. Das hat uns neugierig gemacht, und so haben wir von text-ur mit der Autorin über das neue Buch "Vertriebsgötter" gesprochen!
Dr. Christiane Gierke: „Wie sind Sie denn auf den Titel Vertriebsgötter gekommen und worum geht es in Ihrem neuen Buch?
Dr. Susanne Kleinhenz: Der Titel bezieht sich auf die Mächtigen in der Vertriebsbranche und auf die Gefahr ihrer Selbstüberschätzung. Denn unter dieser leiden all diejenigen, die die Selbsterkenntnis auf ihrem Weg vergessen haben. Vor allem aber geht es auch darum, wie Vertriebsleute in allen Branchen – insbesondere der Finanzdienstleistungs-, Automobil- und Pharmabranche – das Vertrauen der Konsumenten zurückerobern können.
Dr. Christiane Gierke: „Was halten Sie für den entscheidenden Grund, warum ganze Branchen das Vertrauen in der Bevölkerung verlieren?
Dr. Susanne Kleinhenz: Ich glaube, es liegt daran, dass viele Unternehmen ihre Werte verraten. Nehmen wir nur einmal die Grundsätze des Humanismus, die mit ihrem Bildungs- und Lebensideal die westliche Welt positiv geprägt haben und deren Einhaltung ein gutes Miteinander garantieren könnte: Diese Werte sind leider vielen Unternehmen verloren gegangen. Was ich meine sind etwa folgende Empfehlungen für ein gutes Miteinander:
• Das Glück des Individuums und der Gesellschaft bilden den höchsten Wert, an dem sich Handeln orientieren soll.
• Die Achtung und Würde des Menschen in seiner individuellen Persönlichkeit müssen jederzeit respektiert werden.
• Der Mensch hat die Fähigkeit, sich zu bilden und weiterzuentwickeln.
• Die schöpferischen Kräfte des Menschen sollen sich entfalten können.
• Durch die Entwicklung jedes Individuums soll die menschliche Gesellschaft ihre Vervollkommnung finden, die auf die fortschreitende Entwicklung des Menschen gerichtet ist.
Es geht also darum, dass der Mensch das Maß aller Dinge sein sollte. Natürlich liest man Einiges daraus auch in den Hochglanzbroschüren und Unternehmensleitbildern. Aber zeigen Sie mir ein Unternehmen, in dem so etwas wie ein Dialogisches Miteinander zwischen Mitarbeitern und CEOs tatsächlich auch nur im Ansatz denkbar wäre! In welchem Unternehmen geht es heute noch darum, Mitarbeiter tatsächlich in ihrer Kreativität zu fördern? Welchem Vertriebsdirektor geht es um das Glück des Individuums, sei es nun sein Mitarbeiter oder sein Kunde? Genau darum geht es in meinem Buch "Vertriebsgötter": Es geht um mehr Glück und Wertschätzung in Branchen, die immer mehr einen rauen Umgang zwischen Führungskraft und und Mitarbeiter, zwischen Unternehmen und Kunde aufzeigen.
Dr. Christiane Gierke: Was genau ist hier Ihre Hypothese?
Dr. Susanne Kleinhenz: Meine Hypothese ist, dass Unternehmen, in denen das Glück und das Wohlergehen des einzelnen Mitarbeiters und so auch die Wertschätzung der Führungskräfte ihren Mitarbeitern gegenüber den höchsten Wert bilden. Denn die Anerkennung führt dazu, dass Mitarbeiter Kunden das gleiche wertschätzende Verhalten entgegen bringen. Die Devise „Das Glück des einzelnen Menschen bildet den höchsten Wert…“ initiiert somit zwangsläufig einen gewinnbringenderen und wertschätzenderen Umgang als z.B. eine Grundüberzeugung, die da heißt: „Der Umsatz und der Gewinn der Shareholder bilden den höchsten Wert des Unternehmens.“
Dr. Christiane Gierke: Haben Sie Handlungsempfehlungen für Unternehmen bzw. deren Vertriebsgötter, um diese neue Kultur einzuführen?
Dr. Susanne Kleinhenz: Ja, unbedingt. Man sollte zunächst mit dem Prinzip der Wertschätzung im Vertrieb beginnen: Wertschätzung hat bei so ziemlich allen Umfragen zur Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit den höchsten Wert. Gleichzeitig wird aber in den Umfragen – ich beziehe mich hier auf die Gallup-Studien – immer wieder ein großer Mangel an Wertschätzung festgestellt. Warum aber ist das so? Warum fällt es offensichtlich vielen Menschen so schwer, wertschätzend mit Anderen umzugehen? Ich sage: Um jemand Anderem tatsächliche Wertschätzung entgegenzubringen, reicht es nicht, nur freundlich oder höflich zu sein. Es geht vielmehr darum, zu erkennen, wer der Andere ist. Es geht darum, dessen Werte und Wichtigkeiten im Leben zu erkennen, diese mit den eigenen zu vergleichen und sein Gegenüber dadurch als den Menschen zu sehen, der er ist – und ihn dafür wertzuschätzen. Genau dieser Umgang mit Menschen wirkt sich auf die intrinsische Motivation aus und ist somit für Unternehmen von höchster Bedeutung. Der größte Feind der Wertschätzung ist wohl im Narzissmus der eigenen Person oder einfach der Ignoranz Anderen gegenüber zu finden.
Dr. Christiane Gierke: Ist Wertschätzung das einzige, was für eine neue Kultur im Vertrieb nötig ist?
Dr. Susanne Kleinhenz: Nein, das ist zwar das Wichtigste, aber es sollten noch folgende Prinzipien verfolgt werden: Zum Einen ist da das Thema Vertrauen. Dass die Frage nach dem Vertrauen oder dem Misstrauen, das Mitarbeiter in ihre Führungskultur haben, eine der wichtigsten Parameter ist, um Mitarbeiterzufriedenheit zu messen, zeigt die Untersuchung des Fehlzeiten-Report 2011. Wo Vertrauen herrscht, hat Angst keinen Platz – und leider ist es umgekehrt so, dass in einer Kultur, die von Angst und Misstrauen geprägt ist, das Vertrauen seitens der Mitarbeiter zu ihren Führungskräften nur schwierig aufgebaut werden kann – eben weil auch umgekehrt die Führungskräfte kein Vertrauen zu ihren Mitarbeitern haben. Die Wichtigkeit von Vertrauen in der Führung liegt darin, dass Vertrauen ein Grundbedürfnis des Menschen ist.
Zudem ist das Prinzip Absichtslosigkeit im Vertrieb von Bedeutung. Hierzu ein kleiner Ausflug in die Literatur: Was macht Parzival zu dem Auserkorenen, der als Einziger in der Lage ist, den goldenen Gral zu erlangen? Es ist die Absichtslosigkeit, mit der er ins Leben geht: kein Ehrgeiz, kein Ziel. Spätestens an dieser Stelle wird jeder Manager das Buch aus der Hand legen und sagen, dass das nun aber wirklich nicht geht: Erfolge ohne Absicht. Aber je mehr man sich die Erfolge und Misserfolge von Menschen im Zusammenspiel mit anderen Menschen ansieht, desto mehr kommt man zu der Annahme, dass Menschen erfolgreicher sind, je absichtsloser im Sinne von weniger narzisstisch sie an Dinge herangehen.
Absichtslosigkeit meint in diesem Kontext Gelassenheit. Mit Absichtslosigkeit ist keineswegs Gleichgültigkeit gemeint. Sie ist vielmehr ein Zustand von höchster Gewissheit, das Richtige im Leben zu tun. Hat ein Mensch diese Gewissheit und kann sich quasi dem Leben hingeben, so erreicht er alles viel leichter und spielender. Er muss sich nicht länger an den Widerständen des Lebens reiben. Er weiß, welche Entscheidung für ihn die richtige ist und welche nicht. Diese Gelassenheit im Unternehmensumfeld gibt auch seinen Kunden, Mitarbeitern und allen, die mit ihm umgehen, das angenehme Gefühl, zu nichts gedrängt zu werden. Der Absichtslose überzeugt sie mit seiner Persönlichkeit, mit seiner inneren Sicherheit. Als Verkäufer schafft er es, Sog zu erzeugen, statt Druck auszuüben. Der Kunde hat das Gefühl, dass es etwas Besonderes ist, bei diesem Verkäufer zu kaufen. Die Gelassenheit dieser Menschen lässt sie dort loslassen, wo sie erkennen, dass jeglicher weitere Versuch sinnlos wäre. Es lässt sie aber an einem Menschen dranbleiben, wenn sie das Gefühl haben, dass der Zeitpunkt noch nicht reif für eine Entscheidung ist. Der Kontakt mit diesen Menschen ist angenehm, weil sie die Begegnung an sich suchen, den Menschen im Gegenüber sehen, nicht nur den Kunden, den Mitarbeiter oder den Geschäftspartner.
Dr. Christiane Gierke: Kann man hier von einer neuen Vision des Vertriebs sprechen?
Dr. Susanne Kleinhenz: Ja, es würde sich um einen Wandel in der Vision handeln. Meistens meint die Managementliteratur, wenn sie von einer gemeinsamen Vision spricht, den Wert einer Gemeinschaft und die Wichtigkeit, in dieser Gemeinschaft eine gemeinsame Vision oder Idee zu haben. Liest man weiter nach, handelt es sich aber eher um Unternehmensziele als um eine tatsächliche Vision. Eine Vision, wie Apple, die eine Delle ins Universum hauen wollen, gibt es selten – und auch hier ist der humanistische Nutzen für die Menschen nicht ersichtlich. Eine Vision einer Bank, die die humanistischen Werte wie Zufriedenheit und Glück, Wertschätzung und Vertrauen und Absichtslosigkeit statt Profistreben vertreten, wäre auf jeden Fall etwas Neues. Wenngleich das alles nicht so spektakulär klingt, so glaube ich doch, dass es genau das ist, worauf Kunden überrascht und äußerst positiv reagieren würden.
Dr. Christiane Gierke: Dieses große Ziel zu erreichen ist für Unternehmen sicher schwierig. Aber wie könnten denn kleine Schritte im Vertrieb unternommen werden, um diesem Ziel der Wertschätzung näher zu kommen?
Dr. Susanne Kleinhenz: Hier kann im Grunde schon jeder Verkäufer und jede Führungskraft im Gespräch mit Mitarbeitern und Kunden einen wichtigen Schritt dazu tun. Er kann den anderen sehen und erkennen, als denjenigen, der er tatsächlich ist, und nicht nur als eine Erscheinung seiner eigenen Welt. Die meisten Menschen sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie ihre Mitmenschen immer nur als Statisten ihres eigenen Lebens sehen. Der Mitarbeiter dient dann diesem Chef nur als Dienstleister, und der Kunde dem Verkäufer eben nur als Geldbringer. Kein Mensch wird es aber schätzen, im Grunde nur als Handlanger für den Anderen zu zählen, - also mag dieser Mitarbeiter seinen Chef nicht. Genauso wenig wie ein in den Augen seines Verkäufers, zum Objekt des Geldverdienens verkümmerter Kunde seinen Verkäufer genauso wenig wertschätzen wird. Daraus entsteht dann Misstrauen und keine gute Kommunikation, geschweige denn ein Dialog.
Dr. Christiane Gierke: Und wie kommt man nun aus diesem Kreislauf heraus?
Dr. Susanne Kleinhenz: Der einfachste Weg ist, eine andere Haltung einzunehmen und sich selbst und den anderen als die zu sehen, die sie sind. Hierzu gehören zum einen die bereits oben genannten Prinzipien Wertschätzung, Vertrauen, Machtaufgabe und vor allem Absichtslosigkeit. Zum anderen aber sollte nun vor allem ein Verkäufer genau wissen, was für ein Typ Mensch er selbst ist, und wie sein Kunde tickt. Um dazu als Verkäufer kein gesamtes Psychologiestudium absolvieren zu müssen, habe ich ein Tool entwickelt, das zunächst einmal hilft, sich selbst einzuschätzen. Diese Selbsteinschätzung ist das Wichtigste; denn nur wer weiß, wer er selbst ist, und warum er so tickt wie er tickt, muss nicht ständig sein Gegenüber dazu hernehmen, um sich selbst zu beantworten. Außerdem hilft es, sich auf Menschen einzustellen, die genau das Gegenteil von einem selbst sind.
Das Persönlichkeits-Mythenrad
"Das Persönlichkeits-Mythenrad" von Dr. Susanne Kleinhenz
Dr. Christiane Gierke: Können Sie ein Beispiel dazu geben?
Dr. Susanne Kleinhenz: Sehr gerne nehme ich hier ein Beispiel aus dem Buch „Vertriebsgötter“. Es zeigt ein ungleiches Paar im Verkaufsgespräch. Die Gefahr ist immer, dass jeder davon ausgeht, der andere sei wie er selbst …. und dann entstehen Missverständnisse.
Praxisbeispiel für eine gelungene Ansprache
Es geht um ein Verkaufsgespräch aus der Versicherungsbranche im Wohnzimmer einer Kundin mit Verführerin-Persönlichkeit. Die Gefahr des Liebenden-Verkäufers ist hier, wie die Abbildung zeigt, dass er der Single-Kundin die ganze Zeit von seiner Familie erzählt und zum krönenden Abschluss auch
noch das Familienfotoalbum hervorholt. (Weil er eben davon ausgeht, jeder müsste so denken wie er selbst.) Das ist ein absolutes No-Go bei so ziemlich allen Kundinnen-Typen.
Besser wäre folgender Dialog:
Verkäufer: Wie wunderbar geschmackvoll Sie Ihre Wohnung hier eingerichtet haben.
Kundin: Danke, es hat mir auch sehr viel Freude gemacht, all diese Kostbarkeiten zusammenzustellen.
Verkäufer: Sie sind zu beneiden, dass Sie Ihr Leben so autark führen können. Seien Sie froh, dass Sie keine Familie haben.
Kundin: Oh ja, das bin ich. Aber der Nachteil ist, dass ich mich eben auch um alles selbst kümmern muss.
Verkäufer: Na ja, aber bei manchen Dingen kann ich Ihnen sicher helfen. Worum geht es Ihnen denn heute?
Kundin: Ja, ich habe weder eine Hausratversicherung noch sonst eine Versicherung und ein Freund sagte mir, ich müsse hier unbedingt etwas tun.
Dr. Christiane Gierke: Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch!
Das Buch „Vertriebsgötter: Dialoge mit Kunden erfolgreich gestalten – Persönlichkeitstypen im Verkaufsgespräch“ ist im VersicherungsJournal Verlag unter der ISBN Nr. 978-3-938226-50-6 erschienen.
Für mehr Informationen:
Dr. Susanne Kleinhenz
www.susanne-kleinhenz.de
Tel.: +49 30 34 80 68 11
Dr. Susanne Kleinhenz, Leiterin der live-academy (Foto: VersicherungsJournal/J. Pieloth)
Susanne Kleinhenz ist Doktor der Philosophie mit dem Schwerpunkt Differenzielle Psychologie und Organisationsentwicklung. Sie ist Inhaberin der live-academy, einer freien Akademie für Organisations- und Persönlichkeitsentwicklung, Change-Management, Verkaufs- und Führungskommunikation. Als Organisationsentwicklerin, Trainerin, Autorin und Vortragsrednerin mit wissenschaftlichem Hintergrund und hoher Praxiskompetenz verbindet sie fachliches Know-how im Leading Development Management mit fundierter Erfahrung aus Verkauf, Führung und Psychologie.
|
text-ur Redaktion