"Wer Selbstbestimmung scheut, hat Angst vor der Freiheit in voller Verantwortung"

12.01.2014

Erfolgreich durch die "Konzentration auf das Wesentliche" und einem "neuen Zeitbewusstsein". Der Bestseller-Autor Prof. Dr. Lothar J. Seiwert wurde von der Global Speakers Federation als erster Deutscher zum Certified Speaking Professional ausgezeichnet und von Pressestimmen zum d "führenden, deutschen Zeitmanager" ernannt. Sein persönlicher Leitsatz, sich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren und sich daran halten, ist dabei ebenso anspruchsvoll wie für jedermann umsetzbar. "Simplify" eben!

  

 

Dr. Christiane Gierke: Lothar, Du bist gerade zum ersten deutschen CSP Global ernannt worden - was bedeutet das ... und was bedeutet es DIR?

Lothar Seiwert: Der weltweite Dachverband für Business-Speaker GSF, die Global Speakers Federation, zeichnet mit diesem Titel Redner aus, die besondere interkulturelle Kompetenz und Erfahrung in den Bereichen Communication, Business, Events und Travel nachweisen können. Nur Speaker, die bereits den Titel CSP, also Certified Speaking Professional tragen, sind zum mehrstufigen Bewerbungsverfahren zugelassen.

Einer der ersten CSPGlobals weltweit zu sein, bedeutet Ehre und Verantwortung zugleich. Schon als ich vor drei Jahren in Orlando mit dem CSP ausgezeichnet wurde, habe ich mich sehr gefreut. Der nunmehr „globale CSP" ist eine weitere Steigerung. Ich möchte daher als Vorreiter auch andere Speaker-Kolleginnen und -Kollegen in Deutschland inspirieren, noch stärker international zu arbeiten.

Nach Deinem Buch "Ausgetickt: Lieber selbstbestimmt als fremdgesteuert. Abschied vom Zeitmanagement" hat es viel Zuspruch, aber auch Unverständnis und Kritik gegeben. (Wie) hat sich ´über die Zeit´ Dein Verständnis vom Umgang mit der Zeit, von Zeitsouveränität, geändert?

Lothar Seiwert: Mein Zeit-Verständnis hat sich eigentlich nicht geändert, aber die Rahmenbedingungen! Früher waren die Menschen in erster Linie materiell fokussiert, darauf, wie sie noch mehr in noch kürzerer Zeit erledigen können. Das alte Motto: Zeit ist Geld. Heute dominieren zunehmend hedonistische Werte: „Wie kann ich Zeit für mich und mehr Lebensqualität und Work-Life-Balance gewinnen“. Das neue Motto gewissermaßen: Zeit ist Leben.

Drei Dinge legst Du den Menschen ans Herz: Die „Konzentration auf das jeweils Wesentliche“, „Tun mit Sinn“ und ein „neues Zeitbewusstsein“. Was zeichnet das neue Zeitbewusstsein aus?

Lothar Seiwert: Wir müssen unsere Einstellung gegenüber Zeit und unseren Aufgaben radikal ändern, um wieder Herr über unser Leben zu werden. „Ausgetickt“ ist (m)ein Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben. Wer den Mut hat, seine Zeit unabhängig und frei einzuteilen und seine Prioritäten nach eigener Überzeugung zu setzen, hat sein Leben selbst in der Hand und kann uneingeschränkt über seine Ressourcen verfügen.

Über 4 Millionen verkaufte Bücher, übersetzt in fast 40 Sprachen, sprechen für Dich. Nun sprich Du für die Bücher von anderen. Über Bücher, die Dir am Herzen liegen, die Dich bewegt haben. Welche 10 Bücher empfiehlst Du, die man einfach gelesen haben muss? Deine "Top-10 aller Zeiten"?

Lothar Seiwert: Die habe ich parat! Lothar Seiwert’s Top 10-Bücher:

Gemeinsam mit Werner Tiki Küstenmacher stehst Du für "Simplify your Life - einfacher und glücklicher leben". Gibt es etwas Bestimmtes, einen Leitsatz, der Dein Leben einfacher und glücklicher gemacht hat?

Lothar Seiwert: Ja, den gibt es. Der, der in meinem Nachfolgerbuch „Simplify Your Time“ steht. Er ist ganz einfach und doch ganz anspruchsvoll, weil wir oft nicht wissen und erst herausfinden müssen, was ES ist: Konzentriere dich auf ES – auf das wirklich Wichtige. Und dann halte dich daran! Gegen die Widerstände, gegen die Verlockungen. Gegen die Ratschläge von anderen, gegen die Erwartungen von Dritten. Gegen die Facebook- und Handy-Nachrichten, gegen die Faulheit.

Du sprichst von Selbst-Bestimmtheit. Ein schönes Konzept … doch viele von uns denken, dass wir das irgendwie „nicht können“. Dass es eines großen Entwicklungspunktes im Leben bedarf, um so autonom mit sich selbst und seiner Zeit umgehen zu können. Wenn Du zurückblickst: Gab es eine Gabelung oder ein Schlüsselerlebnis, das Dir einen besonderen Anschub in Deinem Leben gegeben hat?

Lothar Seiwert: Ja, das gab es. Mein „früheres Leben“ lebte ich zwölf Jahre lang als auf Lebenszeit verbeamteter Lehrender an einer Hochschule. Bis mir irgendwann bewusst wurde, dass ich so nicht den Rest meines Lebens verbringen wollte. Ich wusste das schon – aber es brauchte noch einen „besonderen Anschub“, wie Du es nennst. Mein Schlüsselerlebnis: Ich war in San Francisco – an sich schon ein guter Ort für schöne Ideen, wie jeder sagen wird, der auch schon mal da war. Als beflissener, belesener, „alles richtig machender“ Mensch ging ich in eine Buchhandlung. Und dort ging mir ein Licht auf. Nämlich, als ich das Buch „New Passages“ von Gail Sheehy in die Hand nahm. Hier werden verschiedene Lebensstadien und Entwicklungen beschrieben. Oft entwickeln Menschen gerade in der Mitte ihres Lebens den Wunsch, Fremdbestimmung abzustreifen und ihr Leben selbstbestimmt zu führen. Sie lassen Sicherheit und Routine hinter sich und streben nach Freiheit und Verantwortung. Dies führt häufig zu radikalen Brüchen mit dem bisherigen Leben. Ein „Sowohl-als-auch“ gibt es dann nicht mehr: es gibt eine Ent-Scheidung.

Bei mir war es genau so. Ich brach mit dem gesicherten Leben an der Universität und begab mich auf neues, risikoreiches, aber erfüllendes Terrain als Seminarleiter und professioneller Vortragsredner. Ich war mir im Klaren: Anstatt zu überlegen, was alles Schlimmes passieren könnte, wenn man seine Sicherheit gegen Freiheit eintauscht, sollte man sich überlegen, auf was man alles verzichten würde, wenn man diesen Tausch nicht macht. Für mich ist klar, dass wer die Selbstbestimmung scheut, Angst vor der Freiheit in voller Verantwortung hat.

Nochmal ein bisschen "näher": Was steht für 2014 auf Deinem Plan?

Lothar Seiwert: In meinem nächsten Buch nehme ich nicht nur die individuellen, sondern auch gesellschaftliche Zeit-Phänomene in den Fokus. Mein Blick richtet sich auf die „Alterszeit“ der Menschen, den „dritten Lebensabschnitt“, also die „Silver Generation“.
Wir haben es hier auf gesellschaftlicher Ebene mit einem riesigen Problemkomplex zu tun, der durch drei gleichzeitig auftretende Phänomene über uns hereinbricht: Die steigende Lebenserwartung, der Geburtenrückgang und das Aufrücken der Babyboomer ins Rentenalter. Drei Phänomene, deren Wechselwirkung erdrückend werden kann. Das Buch wird im Herbst dieses Jahres erscheinen – und es wird spannend.

Eine abschließende Frage: Folgst Du einem Motto, unter das Du Deine Aktivitäten des neuen Jahres stellst?

Lothar Seiwert: Ja, das tue ich! Das neue Jahr steht für mich unter dem Motto Veränderung. Ich möchte meine Leser und Zuhörer dabei unterstützen, sich den neuen Herausforderungen im Umgang mit ihrer Zeit zu stellen und Veränderungen in ihrem Leben zu begrüßen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Ich danke Dir für dieses Gespräch … wir sprechen im Herbst sicher weiter!

Dr. Christiane Gierke, Prof. Dr. Lothar J. Seiwert